Es herrscht Krieg in der Kreativszene: Künstler gegen Künstliche Intelligenz, Gut gegen Böse, wir gegen die. Ein oder aus? Schwarz oder Weiß? Cobra Kai oder Miyagi-Do? Und wo stehe ich? Schwierig.

Als Künstler sollte mein Standpunkt einfach sein: Nein, isch möschte das nischt. Bild-KIs werden mit geklautem Bildmaterial trainiert, emuliert den Stil diverser Künstler und nimmt Arbeitsplätze weg. Um es klar zu sagen: KIs bedrohen berufliche Existenzen. Und das kann nun wirklich niemand gutheißen.

Auf der anderen Seite erhalten Menschen, die (mitunter auch mit vielem Üben) nicht befähigt sind, ein Buchcover zu gestalten, die Möglichkeit, ein Buchcover zu gestalten. Was wiederum zu einer „Demokratisierung“ von Kreativinhalten führen könnte (ich setze das Wort in Anführungszeichen, weil ich eher die Idee als die soziopolitische Bedeutung meine). Das bedeutet natürlich, dass man sich den Weg zum Illustrator schenkt, weil man es nun selber machen kann. Aber das bedeutet eventuell auch, dass man nun ein Buch fertig stellen kann, wozu man im Vorfeld unter Umständen nicht in der Lage war. Illustratoren und Grafiker kosten Geld, Selbermachen kostet erst einmal nur den Schweiß. Dass zwischen beiden Ergebnissen Welten liegen, brauche ich sicherlich nicht hinzuzufügen. Aber solange das dem Anwender Schnurz ist, spielt das tatsächlich keine Rolle. Ich weiß, wovon ich rede. Aber von Anfang an.

Anfang der 90er Jahre erlernte ich den Beruf des „Druckvorlagenherstellers“, den es in dieser Form heute nicht mehr gibt und aus dem irgendwann der aktuelle Lehrberuf des Mediengestalters wurde. Während meiner Lehre machte ich ein Praktikum in einer Schriftsetzerei, in der gestandene Schriftsetzer an ihren sündhaft teuren Berthold-Workstations wunderschöne Textfahnen absetzten. Zurück im Betrieb setzte man mich an einen (etwas günstigeren) Apple Macintosh LC II, gab mir das Layoutprogramm QuarkXPress und ließ mich nun ebenfalls Texte setzen. Nicht ganz so schön aber dafür billig. Es gab keine Kundenklagen. Mit der Zeit wurde ich immer besser, die Programme immer vielfältiger und das sogenannte „Desktop Publishing“ etablierte sich in den Grafikateliers. Schriftsetzereien  mussten allerdings schließen.

Spulen wir vor bis ins Jahr 2000 („The Future“). Ich hatte mich mittlerweile auf Webdesign spezialisiert und arbeitete in einer Multimediafirma an „Rich Media Content“ (so der Marketing-Sprech). Wir waren damals darauf spezialisiert, Videos ins Internet zu bringen. Die Netzte waren lahm (ja, sogar lahmer als jetzt) und die Bandbreite gering. Wir waren vor allem auf Filmtrailer spezialisiert, die wir damals aufwändig in exotische Formate wie „Sorensen“, „Real“ oder „Windows Media Player“ konvertierten, HTML-Seiten darum bauten und ins Internet luden. Dann kam YouTube und Bewegtbild im Netz war kein Hexenwerk mehr. Das Web 2.0  machte die Agentur obsolet, denn nun war es möglich, vollkommen unproblematisch User Generated Content (noch mehr Marketing-Sprech) zu generieren. Die ersten Influencer standen schon in den Startlöchern.

Ich bin also schon diverse Male in meinem Berufsleben von Technik überrollt worden und musste mein Berufsbild im Anschluss neu definieren. Und habe das häufig auch als neue Chance gesehen, um mich zu verändern. Beim Thema „Künstliche Intelligenz“ finde ich das schwieriger. Eigentlich hatte ich erwartet, die KI würde Berichte schreiben (oder die Steuererklärung) und wir Menschen hätten Zeit für die schönen Dinge im Leben (Fotografie, Musik, Illustration, Gedichte, etc.). Aber es scheint fast anders herum. Auf einmal scheinen die Maschinen kreativ zu arbeiten, während ich diesen trockenen Text in die Tastatur hacke (den mir ChatGPT sicherlich in wenigen Sekunden und dazu noch besser erzeugt hätte). Aber neben der Tatsache, dass die KIs mit frei zugänglichem aber nicht dafür vorgesehenen Material trainiert wurden, ist mein Hauptkritikpunkt an dieser Software, dass sie lediglich eine reine Plagiatsmaschine ist. Denn sie erschafft nichts Neues sondern reproduziert Erlerntes und somit schon Dagewesenes. Die Vorstellung, eine KI könne die Bildwelt eines Moebius entwickeln, ohne vorher auf dessen Bildwelten zurückgreifen zu können, ist absurd. Zumindest nach heutigem Stand. Aber das soll jetzt gar nicht negativ gemeint sein, weil viele Menschen mit so einem Tool gar nichts Neues erschaffen wollen, sie wollen reproduzieren. Und da Gebrauchsgrafik keine Kunst sein sondern Probleme lösen will, ist auch nichts dagegen einzuwenden, dass man sich sein Buchcover, seine Postkarte, sein Wasauchimmer mit einer KI generiert. Zwei Dinge sollten dabei aber sicher gestellt sein: Das Ergebnis sollte dem Erzeuger gefallen UND die Vergütung der Künstler, mit deren Werken die KI trainiert wurde, sollte gewährleistet sein. Gerade Zweiteres ist nicht nur wünschenswert sondern mandatorisch und wie sich aktuell herausstellt gar nicht so einfach umzusetzen. Den bildende Künstler haben nicht die allergrößte Lobby. Doch eventuell wird sich da was ändern, denn nicht nur Bilder werden von KIs gerippt sondern auch Songs – und das stinkt den großen Musikverlagen gewaltig, so dass eine Gemeinschaftsklage nicht lange auf sich warten ließ. Betrifft erstmal nur Musik, wird aber sicher auch Auswirkungen auf visuelle Gestaltung haben. Man wird sehen.

Ich selber nutze KI. Ein bisschen. Ich war immer schon ein technik-getriebener Mensch und es interessiert mich einfach, wohin diese Reise geht. Aktuell bin ich erstaunt, erschreckt – aber eben auch sehr neugierig. Ich finde es interessant, Dinge mit KI umzusetzen, die ich ohne sie nicht umsetzen könnte aber vor allem: auch nicht umsetzen würde! Die zum großen Teil mit KI erzeugte CD „Enter the Eagle“ ist so ein Fall. Ich bin musikalisch weitestgehend unbedarft und bei einer Recherche über die Künstliche Intelligenz „Udio“ gestolpert, die Musikstücke generieren kann. Rein aus Neugier ließ ich aus einem für meinen Comic „Matt Eagle“ kreierten Liedtext einen 80er Jahre Hair-Metal-Song generieren und wurde vom Ergebnis weggeblasen. Innerhalb eines Monats entstand Stück für Stück eine ganze CD, die wunderbar als Soundtrack für die Comics funktioniert. Künstlerisch wertvoll? Auf keinen Fall! Aber ohne KI für mich auch nicht umsetzbar. Und mitnichten nur mit einem Knopfdruck auf die „Get Ready“-Taste getan. Letzteres scheint auch der große Irrtum in der Kreativ-Community zu sein, in der gerne von „Artwork auf Knopfdruck“ die Rede ist. Stattdessen ist es eine ziemliche Fummelei, an das Resultat zu gelangen, das man gerne hätte. Mitunter müssen mehrere Ergebnisse miteinander kombiniert werden, die man am Ende mit viel Handarbeit zusammenbastelt. Vielleicht ist es auch nur noch eine Frage der Zeit, bis das „perfekte Ergebnis“ nur einen Knopfdruck entfernt ist. Aktuell ist dem aber mitnichten so.

Ein anderes Beispiel, bei dem ich KI (in diesem Fall „Wonder“, ein Bildgenerator, der nicht wirklich toll ist aber für meine Zwecke absolut ausreicht) verwendet habe, sind die Rückseite und die beiden mittleren Seiten meines Comics „Star Spartan“. Auf der Rückseite ist ein Plakat zu einem fiktiven Film abgedruckt, das ganz zu Anfang der Comicerstellung entstanden ist. Normalerweise beginne ich einen neuen Comic immer mit einem „Mood Board“ (einem Überbleibsel aus meiner langjährigen Tätigkeit als Art Director), bei dem ich vorher eine Benchmark Analyse (und wieder Marketing-Sprech) mache, bei der ich mal gucke, was sich so in dem von mir anvisierten Segment tummelt. Deren Ergebnisse überführe ich dann in eine Art Collage, die mir unverbindlich veranschaulicht, wohin bei mir die Reise gehen könnte. Bei „Star Spartan“ habe ich diese Collage unter Zuhilfenahme von KI gestaltet. Diese bildet die Grundlage für oben genanntes Filmplakat. Für die beiden Mittelseiten nutzte ich KI, um Standbilder aus einem Film zu generieren, den es nie gegeben hat. Auch etwas, das ich ohne Zugriff auf Künstliche Intelligenz eher nicht umgesetzt hätte. Was auffällt: Die Erstellung des eigentlichen Comics blieb von dieser Technik konsequent unberührt. Obwohl ich digital zeichne, illustriere ich auf eine fast schon analoge Art (wenig Ebenen, einfache Farbgebung, krakelige Linien). Da passt für mich die KI-Ästhetik einfach nicht zu meinem Stil. Außerdem bestimme ich meine Linien gerne selber und: Mir macht einfach der eigentliche Zeichenvorgang zu viel Spaß, als dass ich ihn einer Maschine überlassen wollen würde! Zudem finde ich, dass sich Künstler durch allzu großzügigen Einsatz von KI selber entwerten. Oder dass Künstler durch den Einsatz von KI durch Nicht-Künstler entwertet werden. Warum sollte man eine Metal-Band ins Studio schicken, wenn man mit einem Laptop auf den Knien und ein wenig zu viel Freizeit selber ein KI-Album generieren kann? Das den eigenen Ansprüchen genügt. Warum sollte man einem Stock-Archiv oder einem Grafiker Geld in den Rachen werfen, wenn man selber einen KI-Buchtitel generieren kann? Der den eigenen Ansprüchen genügt.

Ein wenig fühle ich mich in die Zeit zurück versetzt, als ich mit schlimmen Schriftsatz die Arbeit von Schriftsetzern obsolet machte oder meine Tätigkeit als Webdesigner vom Nachbarssohn übernommen wurde, der mittels WordPress und einem ansprechenden Theme meine Person überflüssig machte. Für eine Kiste Pils.

Fazit bzw. tl/dr: JEDE kreativ arbeitende Person sollte den Einsatz von Künstlicher Intelligenz für sich selbst ausloten. Ein Ignorieren der Technik wäre grob fahrlässig und garantiert ein böses Erwachen. Generell sollte Einsatz von KI geregelt, die zum Training verwendeten Künstler alimentiert und die Arbeiter in den Klickfarmen vernünftig bezahlt werden. Konsumenten sollten hinterfragen, ob ihnen mit KI erzeugte „Kunstwerke“ wirklich genügen oder ob sie nicht doch die Fähigkeit eines menschlichen Künstlers vorziehen. Ich selbst habe mit der CD mein KI-getriebenes Engagement im Musiksektor beendet, werde aber sicher noch das ein oder andere Mal Künstliche Intelligenz in das Entstehen meiner Bücher einfließen lassen. Wohl eher nicht beim eigentlichen Comic selbst aber womöglich beim Klimbim drum rum. Zumindest will ich es für mich nicht ausschließen. Denn, und das sollte man nach dem Lesen dieser dann doch mehr als ursprünglich geplanten Zeilen festgestellt haben, der Einsatz von KI ist weder „gut“ noch „böse“, er ist „kompliziert“. Willkommen in der Welt, in der wir leben.