Es gibt Projekte, die sind etwas ganz Besonderes. „Der Buddha von Berlin“ ist für mich so ein Projekt. Aber der Reihe nach.
Als ich 2015 wieder mit dem Comiczeichnen begann, dachte ich mir, ich kürze ab und biete Verlagen etwas an, das sie, meiner Meinung nach, nicht abschlagen konnten: Eine Graphic Novel zu einem von Deutschlands grausamsten Serienmördern Carl Großmann, der im Berlin der 20er Jahre über 20 Frauen ermordet haben soll. Zu meiner Überraschung schlugen die Verlage den Comic ab. Lehrgeld.
Bei meinen Recherchen zum Comic stolperte ich allerdings über die historische Figur des Kriminalkommissars Ernst Gennat, der tatsächlich nahezu im Alleingang für die Entwicklung der modernen Mordermittlung verantwortlich war. Er ließ Dateien und Archive anlegen, verknüpfte Mordfälle miteinander und sorgte dafür, dass an Tatorten die Spuren adäquat gesichert wurden (zur damaligen Zeit, in denen Polizisten zuallererst den Tatort sauber machten, damit sich kein Vorgesetzter sein Schuhwerk dreckig machte) keine Selbstverständlichkeit. Ich erzählte meinem Vater Peter von diesem Menschen, dann wandte ich mich anderen Projekten zu.
Ein paar Jahre später. Die Arbeit an „Großmann“ hatte ich längst vergessen (das Comic-Fragment wurde Jahre später aber Teil der Ausstellung „Unveröffentlicht“ im Oberhausener Schloss), zu Gennat hatte ich dann aber doch noch die ein oder andere Lektüre verschlungen, in der der rundliche Kommissar vorkam (die „Gereon Rath“-Reihe von Volker Kutscher oder „Die Bestie vom Schlesischen Bahnhof“ vom Horst Bosetzky), als mein Vater anrief. Ich solle doch mal in meinen Email-Eingang schauen. Das tat ich – und war überrascht und erfreut zugleich.
Ohne mein Wissen hatte mein Vater an einer Gennat-Geschichte gearbeitet. Zunächst noch in Prosa-Form doch mit dem Vorsatz geschrieben, sie mit mir zusammen ins Comic-Format zu bringen. Ich finde, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Mein damals 77-jähriger Vater arbeitet mit seinem damals 47-jährigen Sohn gemeinsam an einem Comic. Wahnsinn!
Da ich nicht wusste, wohin die Reise geht, schlug ich zunächst eine kapitelweise Veröffentlichung in der Anthologie WHOA! Comics vor, die vom umtriebigen Thorsten Brochhaus betreut wurde. Da lief gerade eine Western-Serie aus und ein Platz wurde frei für unseren Berliner Kommissar. Am Stück veröffentlicht wurde die Geschichte dann 2021 bei Kult Comics, zwei weitere Kurzgeschichten folgten: „Miljöh“ könnt ihr in meinem Sammelband „Cabin Tales“ lesen, „Das Verhör“ findet ihr hier online.
Mittlerweile existiert schon ein erstes Skript für ein zweites Kapitel aus unserem Gennat-Universum, in dem mein Vater die Handlung nach Berlin-Treptow verlegt hat. Mehr möchte ich an dieser Stelle auch gar nicht verraten. Außer vielleicht: Es wird spannend!